Dier ersten beiden „Deutschen Meisterschaften im Natural-Bodybuilding“ organisierte ich (Andreas) nach Absprache mit dem Gründer der damals gerade taufrischen GNBF auf eigenes finanzielles Risiko Anfang der 2000er Jahre im westsächsischen Werdau, meiner Heimatstadt. Zuvor hatte ich fast 20 Jahre lang Meisterschaften für die NABBA organisiert – einschließlich der allerersten gesamtdeutschen Meisterschaft im Bodybuilding, die nach der deutschen Wiedervereinigung auf ostdeutschem Boden ausgetragen worden war, im Mai 1994 im Kultur- und Kongresszentrum Gera in Thüringen.
Ich hatte also durchaus Erfahrungen in der finanziell eigenverantwortlichen Organisation von Bodybuilding-Meisterschaften, allerdings keine Ahnung von Dopingkontrollen. Denn die gab es bei der NABBA nicht. Mir erschien das ehrlicher als der Zustand bei der IFBB, bei der es zwar Dopingkontrollen gab, aber ganz offenbar nur als Feigenblatt, als Alibi, zur Gesichtswahrung in der Öffentlichkeit, über die man sich hinter vorgehaltener Hand vor Lachen den Bauch hielt.
Schon im DDR-Bodybuilding gab es ein Dopingproblem, über das man freilich nicht öffentlich sprechen durfte, weil es im DDR-Sport eben nach offizieller Lesart kein Doping gab – bis 1990. Die Reputation der DDR-Olympioniken als Ikonen der Überlegenheit des Sozialismus hätten sonst Schaden nehmen können. Bodybuilding war aber nie olympische Sportart. Die erste DDR-Sportlerin, der die zweifelhafte Ehre zuteil wurde, öffentlich in der DDR-Staatspresse als Dopingsünderin geoutet zu werden, war folglich im Jahr 1989, als man der Presse die Fesseln lockerte, aber gleichzeitig versuchte, zu retten, was noch zu retten war, ausgerechnet eine Bodybuilderin – die Ostberlinerin Ellen Tetschke.
Allerdings nahm ichg das Thema Doping im Bodybuilding zuminmdest in den ersten Jahren meiner Zeit als Wettkampf-Bodybuilder nie sonderlich ernst. Irgendwann hatte ich mal gehört, dass Doping maximal zehn Prozent der Leistungsentwicklung ausmachen würde – ja Herrje, dann trainierte ich eben bisschen härter und überlegter, fertig! So zumindest stellte ich mir das Ganze vor. Erst als die Berliner Mauer weg und die Ralität des bundesdeutschen Bodybuildings auch im deutschen Osten angekommen war, begriff ich, was Doping im Bodybuilding tatsächlich für eine Bedeutung hat. Und die Pro-Doping-Propaganda wurde immer dreister, immer unverschämter. Ende der 1990er Jahre kam ich mir mitunter vor, als würde ich mit den NABBA-Meisterschaften. die ich inzwischen als Vorsitzender der NABBA-Ost Deutschland organisierte, Werbeveranstaltungen für Doping-Dealer veranstalten. Als mir während einer internationalen Meisterschaft der Vorschlag unterbreitet wurde, in Deutschland einen Wachstumshormon-Handel aufzuziehen, war das Maß voll: 2001 schmiss ich alles hin, trat aus der NABBA Germany aus und beschloss, mich fürchterlich zu rächen, egal was es mich kostet. Kurz darauf nahm ich in der Schweiz an meiner ersten Meisterschaft im Natural-Bodybuilding teil , nachddm ich gelesen hatte, dass dort Lügendetektor-Tests zur Dopingkontrolle durchgeführt werden. Das wollte ich genauer wissen.
Meinen ersten Lügendetektor -Test absolvierte ich in Basel bei Frau Daphna Tavor, einer Psychologin, die diese Tests auch für Schweizer Gerichte durchführt. Wenn Schweizer Gerichte diese Tests ernst nehmen, dann musste an der Sache zumindest was dran sein, so dachte ich mir – und wurde nicht enttäuscht! Freunde, die später gleichfalls als Wettkampfteilnehmer mit mir nach Basel reisten und diesen Test ebenfalls absolvierten, kamen oft aus dem Staunen nicht heraus, fabulierten von „Zauberei“ usw.
Frau Tavor versteht ihr Handwerk. Sie bewies mir z.B. die Wirksamkeit (Wissenschaftler sagen „Validität“) ihres Test dadurch, dass sie mich bat, mir eine Zahl zwischen 1 und 10 zu merken. Ich schrieb sie nirgends hin, sprach sie nicht aus, nichts! Sie stellte mir einige Fragen – um mir genau diese Zahl dann nach einem Blick auf ihren Computer zu nennen. Das beeindruckt schon! Allerdings: So ein Test dauert beim ersten Mal locker zwei bis drei Stunden und ist schweineteuer: 500 Schweizer Franken sind für mich kein Pappenstiel!
Inzwischen habe ich mich eingehend mit seiner Funktionsweise beschäftigt. Er basiert auf den Veränderungen in Puls, Blutdruck, Schweißsekretion, die ein Mensch kaum unterdrücken kann, wenn er bewusst lügt (daher die Bezeichnung „Lügendetektor“), denn sein autonomes Nervensystem ist nun mal autonom, d.h. der willentlichen Steuerung entzogen.
Nun gibt es freilich Menschen, die in jeder ungewöhnlichen Situation so gestresst, aufgeregt und unruhig sind, dass der Test versagen könnte – er könnte Lügen vermuten lassen, obwohl jemand völlig aufrichtig antwortet, sprich „die Wahrheit sagt“. Deshalb wird der Test bei Schweizer Gerichten nur als zusätzliches, freiwilliges Indiz für die UNSCHULD eines Angeklagten von der Verteidigung eingebracht, wenn – mangels hinreichender Beweise für die Schuld – Aussage gegen Aussage steht, wie z.B. bei Vergewaltigungsvorwürfen.
Als ich Frau Tavor davon berichtete, dass bei den Deutschen Meisterschaften im Natural-Bodybuilding auf Vorschlag des GNBF-Vorstandes ein Polygraph- Test zum Einsatz kommen soll, der in maximal 30 Minuten durch einen aus den USA eingeflogenen Nichtpsychologen abgewickelt wird, hielt sie mit ihren Bedenken nicht hinter den Berg.
Aber genau so kam es. Die Tests wurden ab der ersten GNBF-Meisterschaft von zwei eigens zu dieser Meisterschaft aus New York angereisten „Polygraph-Experten“ durchgeführt – gewöhnlich in einem Hotelzimmer in der Nähe vom Wettkampfort und mit einer Dauer von jeweils etwa 15-20 Minuten. Ich muss hinzufügen, dass Al und seine Partnerin zumindest selbst an die Tauglichkeit ihrer Tests glaubten – als es noch am Abend nach der zweiten Deutschen Meisterschaft in Werdau zu Diskussionen darüber kam, ob der Gesamtsieger wirklich natural sein könne, warf Al in seinem Hotelzimmer angeblich trotz fortgeschrittener Stunde noch einmal seinen Computer an und studierte die Ergebnisse!
In den folgenden Jahren versuchte man in der GNBF, vor allem die Testverfahren zu verbessern, die am Wettkampftag anstanden. Die Lügendetektor-Tests wurden zunehmend auf zwei oder sogar drei Tage vor dem Wettkampf verlagert, da es selbst zwei Polygraph-Experten mit jahrelanger Erfahrung nicht schafften, viel mehr als 40 Leute an einem Tag durchzutesten. Um zu verhindern, dass Betrüger nach bestandenem Polygraph-Test in den letzten Stunden vor dem Wettkampf noch „Stoff einfahren“, mussten weitere Tests her – die „klassischen“ Urintest-Verfahren nämlich. Mit solchen Tests lässt sich beispielsweise eine Anabolika-Anwendung innerhalb der letzten drei Wochen nachweisen – weshalb z.B. im DDR-Spitzensport die Einnahme von Anabolika gewöhnlich spätestens drei Wochen vor dem Wettkampf beendet wurde. Um ganz sicher sein zu können, dass imperialistische Dopingfahnder in sozialistischen Sportlerpersönlichkeiten keine verbotenen Medikamente entdeckten, wurden letztere vor Olympiaden und ähnlich hochrangigen Wettkämpfen im sächsischen Kreischa mit den modernsten Verfahren getestet. Fand man Doping-Rückstände, war der Sportler plötzlich krank oder verletzt oder nahm aus anderen Gründen nicht teil. Im Jahr 1990 aber war die DDR weg, doch das IOC-akkreditierte Anti-Doping-Labor in Kreischa war noch da. Genau dort sprach die GNBF nun mit der Bitte um die Durchführung von Urin-Tests vor – und hatte Erfolg!
Allerdings kann man auch Opfer des eigenen Erfolges werden. In Kreischa hatte ich Kontakt mit einer Wissenschaftlerin aufgenommen, die auf Haaranalysen im Pferdesport spezialisiert war. Warum nicht auch Haaranalysen bei Bodybuildern durchführen?
Gesagt, getan: Am Abend der 10. GNBF-Deutschen Meisterschaft in der unauffälligen sächsischen Provinzstadt Werdau schnitt Prof. Hörning, der Anti-Doping Experte der GNBF, höchstpersönlich zwei Klassensiegern einige Haare vom Haupt, so mehr oder weniger am Rande der Tests, nach dem Motto: Ach wartet mal bitte, mir ist da eben noch was Lustiges eingefallen…!
Einige Tage später war dann Schluss mit Lustig, es kam zum Super-Gau: Die Doping-Fahnder in Kreischa wiesen in den Haarproben u.a. zehnfach (!) erhöhte Testosteronwerte nach! Und da eine Haaranalyse auch Dopingrückstände auffindet, die älter als nur ein paar Stunden sind, war klar: Der Polygraph-Test US-amerikanischer Fassung war zwar preisgünstiger und schneller als der, den ich in der Schweiz kennen und schätzen gelernt hatte – aber er taugte auch weniger!
Es kam zur Krisensitzung in Hamburg. Die des Dopings beschuldigten und disqualifizierten Klassensieger fuhren schweres juristisches Geschütz auf – ihre Anwälte stellten so ziemlich alles in Frage, was man in Frage stellen kann, und drohten mit fünfstelligen Schadenersatz-Forderungen wegen entgangener Bucherlöse und sonstigen Fantastereien, die Klassensiegern von Bodybuilding-Championaten offenbar so durch den Kopf schwirren. Man einigte sich auf eine gütliche Trennung ohne Titel-Aberkennung, aber der Lügendetektor-Test flog aus dem Programm der Testverfahren.
Stattdessen wurde mit dem FFMI (Fettfreie Masse Index) eingeführt. Jahrelang war ich mit diesem Vorschlag auf erbitterten Widerstand gestoßen, jetzt aber war die Not groß – die GNBF stand faktisch nackt da ohne wirkungsvolle Dopingtests und im Internet kochten der Shitstorm.
Der Fettfreie Masse Index (nach Prof. Harrison G.Pope) markiert allerdings lediglich die Obergrenze dessen, was ohne Doping erreichbar ist, vergleichbar mit dem Hämatokritwert (ein Wert für die Anzahl der Blutzellen pro Mikroliter Blut)über 50 beim Radsport, mit dem man sich dort behilft, weil eine andere Nachweisführung gegen Epo-Doping (Blutdoping) dort schwer machbar ist.
Ebenso wie an einen Hämatokritwert von 50 kann man sich auch an einen FFMI von 26 wunderbar „herandopen“. Wundert es da noch jemanden, wenn inzwischen Junioren-„Natural“-Bodybuilder mit einer Muskelmasse aufwarten, welche tatsächliche Natural-Bodybuilder erst nach 15-20 Jahren Training aufgebaut haben?
Nun kann man diesem Problem zumindest im olympischen Spitzensport mit Trainingskontrollen beikommen. Natürlich ist es nicht möglich, Tausende Sportlerinnen und Sportler in allen möglichen Sportarten rund um die Uhr zu kontrollieren. Also gibt es das Verfahren der „unangekündigten Trainingskontrollen“. Im olympischen Spitzensport hat man dafür das sogenannte ADAMS-System entwickelt: Ab einer bestimmten Leistungsebene muss man faktisch jederzeit für eine unangekündigte Dopingkontrolle erreichbar sein. Dafür gibt es eine Internetplattform, auf welcher der jeweilige Aufenthaltsort faktisch auf die Stunde genau anzugeben ist. Wird man „erwischt“, drohen Sperre und Gerichtsverfahren wegen „Sportbetruges“, der z.B. in Deutschland seit einigen Jahren strafbar ist – wohlgemerkt: für olympische Spitzensportler, sprich Berufsathleten, Profis, die mit dem Sport ihr Geld verdienen!
Bodybuilding ist aber weit entfernt davon, irgendwann olympisch zu werden!Auch wenn es immer noch naive Gemüter gibt, die von den ach so gigantischen Preisgeldern bei einigen sogenannten Profi-Meisterschaften beeindruckt sind: Die allermeisten Bodybuilder sind Amateure. Ich war NABBA-Funktionär auf internationaler Ebene, ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie das mit all diesen Preisgeldern (nicht bei der NABBA – die war in dieser Hinsicht immer aufrichtig) funktioniert – danke…
Ein des Dopings überführter vorgeblicher Natural-Bodybuilder braucht in Österreich oder Deutschland mit Sicherheit kein Gerichtsverfahren wegen Sportbetruges zu fürchten. Was ihm droht, ist allenfalls eine mehrjährige Sperre. Für einen olympischen Leichtathleten wie den Marathonläufer Baumann ist das gleichbedeutend mit dem Karriere-Ende – es gibt weltweit nur einen Leichtathletikverband. Frage: Wie viele Bodybuilding-Verbände gibt es allein in Deutschland? Selbst Natural-Bodybuilding-Verbände gibt es inzwischen wie Sand am Meer, allein in Deutschland zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Zeilen mindestens drei!
Wenn also ein Bodybuilder des Dopings überführt und gesperrt wird, dann wechselt er einfach den Verband, fertig! Und alle Insider wissen das.
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